erst denken dann kochen

Im Zuge der Recherchen für eine 32-Seitige Küchenpraxis-Geschichte in der Zeitschrift "Beef!" (siehe auch Referenzen) zum Theme Sous-Vide-Kochen stellte sich heraus, dass fast alle im deutschen Strafraum bislang publizierten Garzeiten für dieses angesagte Beutel-Kochen unbrauchbar sind. Der Grund: Die Profiköche, die all diese Garzeit-Tabellen erstellten, gingen von einer Anfangstemperatur der Fleischstücke aus, die nur in den Kühlhäusern der Gewerbsküchen, nicht aber im normalen Consumer-Kühlschrank herrscht: +1°C. Deswegen wurden die Rezepte für Beef! komplett neu gekocht, die Garzeiten mutgestoppt und auf realistische Raum-Temperatur (18 °C) zu Gar-Beginn kalibriert.

Am Anfang war nicht das Wort. Sondern das Nachdenken. Und das Verstehen. Kein Text über Essen, kein Kochrezept, keine Zutatenkombination kann sinnvoll entstehen, ohne dass ihr Schöpfer ein tieferes Verständnis dafür entwickelt hat. Deshalb heißt die oberste Direktive bei kochtext: erst denken, dann kochen, kombinieren, schreiben. Manchmal muss dazu in die atomare Ebene abgetaucht werden. Geraniol versteht sich gut mit Nerval, und beide mit Thymol. Schon ganz irre von dem Molekülgewühl? Nun ja, es bringt in diesem Fall Essbares mit hohem Genussfaktor hervor: Die Vorspeise Ziege | Kumquat | Thymian | Dattel.
Dattel und Orangenfrüchte (Kumquat) vereint die chemisch engst verwandten Kopfaroma-Moleküle Geraniol und Geranial ebenso harmonisch wie das rosig-frische Aromenpaar Nerval und Nerol bei Kumquat und Thymian. Der wiederum teilt sein Thymol mit einigen Zitrusfrüchten, während das antiseptisch wirkende Carvacrol für Mund-und Darmgesundheit der Ziegen sorgt, die das Kraut gerne fressen.
So ein gewagter Teller darf natürlich nicht nur auf der molekularen Ebene funktionieren, auch kulinarisch muss alles zusammenpassen: Die Säure der Kumquatscreme im Bauch der Ziegenklöße nimmt dem Fett des Käses den letzten Hauch Schwierigkeit, umgekehrt harmoniert dessen rasser Grundton schön mit den orangig-süßen Anteilen der Füllung. Die Nussigkeit der Dattelsauce wird von der Hasel/Walnuss-Panierung der Käseklopse und dem Wildkräutersalat aufgegriffen. Der wiederum ist mariniert in einer Vinaigrette mit frisch gehackten Orangenthymianblättchen, dessen ausschließlich Alkohol-lösliche Ätherik von dem Essiganteil der Salatsauce aufgenommen wird.
Unkochbar? Ach nein, alles nicht so schwer: hier geht's zum Rezept, entwickelt von Peter Wagner/kochtext für seine wöchentliche Kochkolumne auf Spiegel Online…

In der Komplexität der Sterneküche finden sich unzählige Anregungen, die auch in alltäglichen Kochsituationen hilfreich sind. Nachdenken über die richtige Garmethode zum Beispiel, über den perfekten Gargrad, das Zusammenspiel von Säure und Süße, Umami und Schärfe, Textur und Mundgefühl. Seit vielen Jahren schaut kochtext den Michelin-gekrönten Top-Köchen bei ihrer Arbeit in die Töpfe und auf die Finger: Für die Serie "Koch des Monats" auf www.kochmonster.de besuchte Peter Wagner Dutzende Sterne-Meister in ihren Highend-Küchen.

Während der Recherchen für das Buchprojekt "Richtig scharf kochen" für die Stiftung Warentest stellte sich heraus, dass es weltweit noch keinen gültigen Vergleichsmaßstab für den Schärfeeindruck gibt, den sämtliche schärfende Zutaten und Gewürze im Mund erzeugen – bislang gab es ausschließlich Skalen für Chilischoten. Deshalb wurde ein neues Verfahren entwickelt, das es erlaubt, die Schärfe aller pikanten Aromaten wie falsche und echte Pfeffersorten, Chili-Arten, Kräuter, Meerrettich, Senf, Kressen, Zwiebelgewächse, Alkohol, Zimt oder Ingwer vergleichend in ein systematisches Koordinatensystem einzuordnen.